20. Nationale Stabhochsprung – Meeting  des MTV 49:

Stabhochsprung – der lange Weg nach Holzminden

Jubiläumsmeeting der Höhenjäger am Pfingstsonnabend

 

            Bereits zum 20. Mal lädt der MTV 49 Holzminden am Pfingstsonnabend Stabhochspringer aller Altersklassen zu seinem Meeting ins Stadion Liebigstraße ein. Diese Veranstaltung, die 1991 in bescheidenem Rahmen aus der Taufe gehoben wurde, hat sich im Laufe der Jahre zu einem der beliebtesten und größten Stabi-Treffen ganz Europas entwickelt. Das Konzept des Veranstalters berücksichtig nicht nur Spitzenspringer, sondern Athleten jeden Alters und Könnens, und so bewerben sich alljährlich weit mehr als 100 Aktive in einem wahren Stabhochsprung-Volksfest über sechs Stunden lang um den Springer-Cup.

Die Geschichte kennt keinen festen Ausgangspunkt des Stabhochsprungs, doch es gilt als sicher, dass es Vorläufer der heutigen Disziplin bereits in der Antike gab. So sprangen die Griechen mit Stangen über Stiere, um so ihren Mut zu beweisen. Natürliche Hindernisse wie Gräben, Flüsse oder Hecken lockten zum artistischen Überfliegen mit Hilfe hölzerner Hilfsmittel. Martialisch mutet dagegen der Lanzensprung an, der von der Insel Kreta und den Kelten überliefert wird. In der Tat wurden lange Stangen in Kriegszeiten dazu verwendet, Soldaten über Stadtmauern zu katapultieren. Vielleicht ist so auch Jericho nicht durch die biblischen Trompeten Josuas gefallen, sondern durch frühe Stabhochspringer. Auch heute noch wird im benachbarten Holland das Grachtenspringen praktiziert, mit dem der abendliche Weg zum Gasthaus und zurück wesentlich abgekürzt wird. Allerdings muss man nach dem Einstich im Wasser schnell am Stab nach oben klettern, um trocken das andere Ufer zu erreichen – eine Technik, die mittlerweile im Wettkampfsport verboten ist.

Erste reguläre Wettkämpfe datieren auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, und 1896 war der Stabhochsprung Bestandteil der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit in Athen. Die ersten Wettkampfgeräte waren schwere Holzstangen, einen Einstichkasten oder Weichbodenmatten gab es nicht – man landete auf Sand oder Holzspänen. Ab 1900 wurden Bambusstäbe verwendet, die leichter und flexibler waren. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts waren Stahl- und Aluminiumstäbe im Einsatz, und mit dem Aufkommen der weichen Landekissen setzte sich immer mehr der zunächst verbotene Glasfiberstab durch: der heute benutzte, weit über 90 Grad biegsame Stab ebnete den Weg für eine völlig neue, spektakuläre Sprungtechnik.

60 Jahre nach dem ersten Olympiasieger William Hoyt (USA) stellte sein Landsmann Bob Gutowski mit dem Aluminiumstab den Weltrekord auf 4,78 Meter, sein Nachfolger, der spätere Tarzan-Darsteller Don Bragg wurde 1960 in  Rom olympischer Champion mit 4,80 Metern. Danach folgte unter Einfluss des neuen Stabmaterials eine rasante Entwicklung, die ihre Krönung in der neueren Zeit durch den Ukrainer Sergey Bubka erfuhr: über Jahre unbesiegt übertraf er als Erster die magischen sechs Meter, verbesserte den Weltrekord 35 Mal, wurde sechs Mal in Folge Weltmeister und ist noch heute im Besitz beider Weltrekorde: in der Halle mit 6,15 Metern, im Freien mit 6,14 Metern. Es gibt zurzeit nur einen Springer auf der Welt, der Bubkas Rekordmarken attackieren könnte: der australische Weltmeister Steven Hooker, dessen Bestleistung bei 6,06 Metern steht.

Auch die Frauen ließen sich von diesem „exotischen“ Bewegungsablauf begeistern. Besonders drei Namen prägen die Historie. Nach der Ära der Chinesinnen in den frühen 90er-Jahren  beherrschte besonders die Australierin Emma George die Szene: die Trapezartistin des „Flying Fruit-Fly Circus“ verbesserte die Weltbestleistung elf Mal bis auf 4,60 Meter, bis sie von der US-Amerikanerin Stacey Dragila abgelöst wurde. Heute spricht man fast nur noch von der Russin Jelena Isinbayeva, die – trotz ihres „Absturzes“ bei den Weltmeisterschaften in Berlin 2009 – die Überfliegerin der Szene ist: sie hat bisher als einzige Frau der Welt fünf Meter und mehr (5,06 Meter) gemeistert.

Bereits in den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts war der Stabhochsprung auch im Kreis Holzminden angekommen, als der Stadtoldendorfer Athlet Alfred

 

 

Ohle für damalige Zeiten sensationelle 3,82 Meter überquerte. Es dauerte immerhin fast ein halbes Jahrhundert, bis der MTVer Holger Gliewe in Baunatal zum ersten Mal über vier Meter flog – eine Höhe, die bis heute von unzähligen Springern des MTV 49 gemeistert wurde. In den 80er-Jahren begann der Siegeszug des Stabhochsprungs in Holzminden, als der B-Jugendliche Robin Focken mit 3,60 Metern den ersten Landesmeistertitel für den MTV 49 gewann. Es folgten Meisterschaften in Serie, fast 140 auf Landesebene bis heute, und Namen wie Michael Talke, Ingo Kreutzer, Christoph Trittel, Carsten Schünemann, Christian Noack, Toni Tschierschke, Tobias Wilmes, Christian Hesse und Christian Stahl sind noch immer in guter Erinnerung. Ihre legitimen Nachfolger sind heute Hagen Echzell, Tarik Kersting, Tobias Steffen und Lucas Sander.

Ende der 80er-Jahre versuchte sich mit Tanja Cors eine Mehrkämpferin und erfolgreiche Hochspringerin erstmals mit dem Stab, mit dem sie es zu höchster Meisterschaft brachte: als mehrfache deutsche Meisterin verbesserte die MTVerin 1993 und 1995 zwei Mal den Hallenweltrekord – damals auf 3,85 Meter. Ariane Knoll sprang 1995 deutschen Jugendrekord und wurde ebenfalls deutsche Meisterin, Susanne Trump folgte als „kleine“ deutsche Meisterin, und Silke Koplin stellte mit 3,30 Metern einen W15-Landesrekord auf.  Alle diese Resultate wurden jedoch in neuester Zeit übertroffen von Annika Roloff: die junge MTVerin, die im Alter von sechs Jahren erstmals mit dem Sprungstab hantierte, hält vier – inoffizielle – Weltrekorde bei den Schülerinnen, wurde 2008 deutsche Meisterin und ist niedersächsische Landesrekordhalterin mit 4,15 Metern. Aus Göttingen stieß Christina Ziemann zum MTV 49, sammelte 12 deutsche Meistertitel bei den Seniorinnen, hält den deutschen W40-Rekord und wurde zwei Mal Weltmeisterin ihrer Altersklasse.

 Reiner Springer und Heinz Roloff gaben den „Startschuss“ zum ersten Stabi-Treffen in Holzminden, das in der Folge je drei Mal von Tanja Cors und Annika Roloff gewonnen wurde. Neben den Holzmindenern beherrschten Athleten aus Leverkusen, Zweibrücken und Potsdam die Szene und demonstrierten damit, wo in Deutschland die Stabhochsprung- „Nester“ zu finden sind. 2009 bewarben sich 135 Teilnehmer um den Springer-Cup, der auf drei Anlagen mit verschiedenen Anfangshöhen ausgetragen wird. Pfingstsonnabend ab elf Uhr ist es wieder soweit: es darf geflogen werden

                                                       

Holzmindens derzeit herausragender Athlet ist Niedersachsenmeister Tarik Kersting.

 

 

Die neue MTV-Stabhochsprung-Generation auf den Spuren ihrer Vorgänger: Jan Flormann, Kilian Echzell, Daniel Heise, Tim Lucas Czech und Scott Hennigfeld.